FILMKRITIK "GUTE TAGE"
Berührender Kinofilm über Bildhauer und das Aufkommen berufsgefährdender Handicaps.
By: Linus Scherer, freischaffender Künstler on 23.06.2017
Müsste der Kinobesucher den Filminhalt bzw. den beschriebenen Gang der Künstler im Film mit einem Wort umreissen, würde es "Demut" heissen. Demütig werden im guten Sinne, das ist wohl dass, was der Film mit einem macht, wenn der Kinogänger diese Schicksale an sich heran lässt.
Motivation zum Film
Ich war gestern im Kino an der Vorpremiere des Filmes «Gute Tage». Der Film lief an den Solothurner Filmtage und hat sehr gute Rezensionen erhalten. Urs Graf, der Regisseur hat gleich zu Beginn der Vorführung seine Motivation zum Film mit einer Anektote dargelegt: Ein Freund sei erkrankt und musste seine angefangene Künstlerarbeit abbrechen. Dieser Freund lebt für seinen Beruf und es droht ihm, dass er seine Leidenschaft aufgrund der Krankheit aufgeben muss. Der Filmemacher solle diese neuen Lebensumstände zum Inhalt des Films machen. Dies werde ihm über das Schlimmste hinweg helfen. Als Urs Graf wenig später eine seltsame Schwäche in seinen Beinen spürte und ihm der Arzt einen negativen Bescheid erteilt, hat er sich an seinen 'gut gemeinten Rat' erinnert und sich unter neuer Prämisse an das Werk gemacht.
Urs Graf hat fünf Künstler über drei Jahre hinweg begleitet und ihr Schicksal dokumentiert. Was geschieht mit dem Menschen und dessen Werk bei Aufkommen von Gebrechen und Schwäche; wenn der Körper nicht mehr mitmachen will? Und, wie wirkt sich das aufs Werk von Künstler aus? Die Kinos wollten ursprünglich den Film nicht in ihr Programm aufnehmen: wer interessiert sich schon für individuelle Schicksale, erkrankter Künstler? Auch die angefragten Galeristen und Kunstinstitute haben abgesagt. Die Künstler sollen in guter Erinnerung bleiben. Krankheiten und Gebrechen haben im Kunstbetrieb keinen Platz. Der Film wurde mit einfachsten technischen Mittel verwirklicht, so sind beispielsweise die kurz eingeblendeten Landschaften nicht mit einer Filmkammera aufgenommen worden, sondern mit der Fotokamera - dies in einer Zeit, in der es für jede neue Einstellung eine spezielle Filmkamera braucht. Der Film schildert den Kampf der fünf Künstler. Er dokumentiert penibel, wie die Künstler immer wieder aufs neue einen Weg suchen müssen, sich in der Kunst auszudrücken. Heute vielleicht mit weniger Skills als gestern. Emotional hat mich der Film mitgenommen. Keine einfache Kost, wenn den Protagonisten das Lebensende droht. Regisseur Urs Graf schafft es jedoch mit Schalk und Ironie immer wieder überraschende und ermutigende Momente einzubauen.
Der Film läuft ab dem 22. Juni 2017 in verschiedenen Deutschschweizer Städten.
Linus Scherer, freischaffender Künstler und Betreiber von Steinskulptur.ch Bild: Filmplakat
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